Akute generalisierte exanthematische Pustulose

Zuletzt aktualisiert: 2023-10-11

Autor(en): Anzengruber F., Navarini A.

ICD11: EH67.0

Macmillan (1973), Tan (1974), Beylot (1980)

  • Akute generalisierte Pustulose
  • Pustulosis acuta generalista
  • Akutes generalisiertes pustulöses Bakterid
  • Acute generalized exanthematous pustulosis
  • Pustular drug eruption
  • Pustular drug rush
  • Toxic pustuloderma
  • AGEP
  • PEAG
  • Akute generalisierte exanthematische pustulöse Dermatitis
  • Toxisches Pustuloderm
  • Pustuloses exanthématique aigës généralisés

Seltene Spezialform der inflammatorischen Arzneimittelreaktionen (SCAR) mit synchronem Auftreten von kleinen, prallen, sterilen und nicht follikulären Pusteln, die sich auf erythematöser Haut befinden und besonders Stamm, die Intertrigines und distalen Extremitäten betreffen.

  • 1-5 Fälle / 1 Mio / Jahr in Europa. Nach Expertenmeinung Prof. Navarini deutlich häufiger. 
  • Häufigeres Auftreten bei Patienten mit Psoriasis in der Vorgeschichte
  • Eher bei älteren Personen
  • Neue Daten aus USA stellen einen hohen BMI (ca. 40) als Risikofaktor in den Raum.

Klinische Einteilung: 

  • Disseminierte, kleinpustulöse Form
  • Grosspustulöse Form auf erythematösen Inselchen
  • Targetoide Form
  • Mischformen, z.B. mit Kleingefässvaskulitis oder EEM oder DRESS Syndrom
  • ALEP als lokalisierte Form

 

Arbeitsdiagnose bei akutem Auftreten steriler Pustulose:

  • AGEP / mögliche GPP 

 

Einteilung nach Triggern: 

  • 90% arzneimittelgetriggerte Form
  • 1% erregergetriggerte Form (Viren, Bakterien, Parasiten, Impfungen) 
  • 10% andere Trigger

  • Genauer Mechanismus noch unklar
  • Mutation im IL36RN Gen bekannt bei 4%
  • Vermehrte Bildung von IL-23, IL-17 und IL-8 nachgewiesen
  • Gehäuft HLA-B5, HLA-DR11 und HLA-DQ3
  • Man geht von einer vorhergehenden Sensibilisierung aus. Die Neutrophilie im Blut und die Akkumulation von Neutrophilen in den Läsionen lassen eine Freisetzung von aktivierenden Zytokinen durch membrangebundene spezifische T-Lymphozyten vermuten. Dies hat einen zytotoxischen Effekt auf die Zellen zur Folge.
  • Andere Daten zeigen eine T-Zell unabhängige Reaktion von Monozyten und Makrophagen auf die triggernden Medikamente

  • Klassische, kleinpustulöse disseminierte Form:
    • Kleine, pralle, sterile, nicht follikuläre Pusteln von gelber oder weisser Farbe z.T. mit Basiserythem
    • Akutes Auftreten, dabei erfolgt der Start meist im Gesicht und grossen Beugen (Axilla, Leiste, submammär), von wo aus dann eine Dissemination innerhalb von Stunden auf den restlichen Körper erfolgt
  • Rascher Verlauf
  • Allgemeinbefinden ist beeinträchtigt
  • Auftreten oft mit Fieber und Leukozytose
  • z.T. Pruritus oder Brennen
  • in 50% der Patienten finden sich folgende Symptome: Gesichts- und Handödeme, Purpura, Vesikel, Bullae, Läsionen, ähnlich jenen des Erythema multiforme
  • Milde bis moderate Eosinophilie, renale Dysfunktion (transient)
  • In 5% Schleimhautbeteiligung möglich
  • Trigger: 
    • In 90% der Fälle durch Medikamente ausgelöst, meist assoziiert mit β-Lactamen (Penicillin, Aminopenicillin, Cephalosporin) und Makrolidantibiotika. Weitere Medikamente sind: Hydroxychloroquin, Kalziumkanalblocker (v.a. Diltiazem), Antimalaria-Medikation, Carbamazepine, Acetaminophen (Parazetamol), Antimikrobiotika (Terbinafin, Metronidazol, Isoniazid, Vancomycin, Doxycyclin), Sulfonamide.
    • In 1% Erreger-getriggert, in ca. 10% verschiedenste Ursachen. 
  • Latenz 2-14 Tage, seltener Auftreten bis zu 3 Wochen nach Arzneieinnahme möglich. Bei Hydroxychloroquin, das eine lange Halbwertszeit hat, ist die Latenz bis Auftreten länger und auch die Persistenz des AGEP dauert länger. 
  • Dauer nach Sistierung des Triggers 1-2 Wochen, gefolgt von anularer, oberflächlicher Abschuppung (korneolytische Schuppenkrause)

  • Klinik
  • Labor: pathologische Entzündungsparameter mit ausgeprägter Leukozytose (>15’000 Leukozyten/ul) und markanter Neutrophilie, moderate Eosinophilie, Nierenparameter (transiente renale Dysfunktion), selten Hypokalzämie
  • Histologie mit subkornealen Pusteln
  • Pustelausstrich, um eine mögliche Infektion nicht zu verpassen, vor allem auch KOH Mykologie für Candida-Folliculitis. 
  • Patch-Test / Epikutantestung ist in 50% der Fällen positiv auf das verantwortliche Medikament
  • RegiSCAR Score bestimmen. 

 

Anfangs Gesicht und grosse Körperbeugen (Axilla, Leiste, submammär), dann im Verlauf auch an Stamm und distalen Extremitäten. 

In 5% auch oral, in 12% auch Lippen. 

  • Nach vorheriger Arzneimittelreaktion fragen (in 86% der Patienten vorhanden, in ca. 70% bekannte Arzneimittelallergie)
  • Medikamente und die Zeit deren Einnahme erfassen
  • Psoriasis in der Vorgeschichte abklären
  • Verlauf der Läsionen erfragen
  • Nach Allgemeinsymptomen fragen

Subcorneale Pusteln aus Neutrophilen und auch Eosinophilen. 

Mortalität ist tief, aber nicht 0%. Bei sehr starken Reaktionen kann es zur Superinfektion mit Bakterien kommen und zur Sepsis. 

Neu auftretende Dermatitis oder andere generalisierte Erosionen der Haut können einige Monate nach dem Abheilen der akuten generalisierten exanthematischen Pustulose in einigen Patienten beobachtet werden. 

Bei pigmentreichen Patienten lange währende Pigmentdysregulation möglich. 

 

Auslösende Medikamente meiden

Innerhalb 1-6 Monaten nach Abheilung Epikutantestung (Patchtesting) mit den in Frage kommenden Medikamenten durchführen. 

Orale Provokation vermeiden wg. Rezidivgefahr. 

  • Spontane Abheilung innerhalb von 10 Tagen – 4 Wochen
  • Wenn medikamenteninduziert gilt: je schneller die Absetzung erfolgt, umso besser
  • Abhängig von Alter und Grunderkrankung des Patienten

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