Human immunodeficiency virus (HIV)-Infektion

Zuletzt aktualisiert: 2022-11-16

Autor(en): Anzengruber F., Navarini A.

ICD11: 1C62.Z

Retroviraler Befall der T-Helfer-Zellen, welcher langfristig zu einer letalen Immunschwäche führen kann (acquired immunodeficiency syndrome =AIDS).

  • Weltweit 40 Millionen Menschen
  • Westlichen Welt: Übertragung vor allem durch homo- und bisexuelle Männer
  • Dritte Welt: Übertragung vor allem durch heterosexuelle Menschen

  • Akute Infektion, seropositives Latenzstadium (SLS)
  • Lymphadenopathiesyndrom (LAS)
  • AIDS-related-complex (ARC)
  • Vollbild AIDS

  • Der HI-Virus ist ein RNA-Virus und gehört zur Gruppe der Retroviren sowie im weiteren Sinne zu den Lentiviren. Es besteht eine Affinität zu CD4+-T-Lymphozyten, den CD4-Helferzellen, und zellulären Korezeptoren. Beispielsweise scheinen Veränderungen des Chemokinrezeptors CCR5 eine schützende Wirkung gegen das HI-Virus zuhaben, welches auch alle Arten von Makrophagen befällt und in sämtlichen Körperflüssigkeiten nachweisbar ist.

 

  • Eine Infektion erfolgt vor allem von Zellen, welche CD4-Rezeptoren und Korezeptoren (z.B. CCR5, CXCR4) exprimieren. Zu diesen Zellen werden T-Helferzellen, Monozyten, Mikroglia, dendritische Zellen und Makrophagen gezählt.

 

  • Erreger: 
    • HIV-1 und HIV-2 (früher HTLV III und LAV) aus der Familie der Lentiviren
  • Infektionswahrscheinlichkeit:
    • Je nach Quelle und Sexualpraktik besteht das Risiko einer Infektion pro Kontakt zwischen 0,03%- 5,6%
  • Erhöhung des Übertragungsrisikos:
    • Bestehen einer STI, nicht zirkumzidierte Männer, Analverkehr, hohe Viruslast, frische HIV-Infektion, Erstexposition zum HI-Virus, Geschlechtsverkehr während der Menstruation
    • Transmission
    • Sexualkontakte
    • Blutprodukte (insbesondere Faktor-VIII- und Faktor-IX-Präparate)
    • Gemeinsames Benützen von kontaminierten Nadeln (Drogenabusus)
    • Transplantation
    • Intrauterine Transmission bzw. intra partum und durch Stillen

Akute HIV-Infektion (akutes Infektionsstadium):

  • 2-8 Wochen nach der Infektion
  • Asymptomatischer Verlauf bei ca. 30% der Patienten
  • Grippeähnliche Symptomatik mit Pyrexie, Cephalgien, Emesis, Diarrhoe, Halsschmerzen und Gelenksschmerzen. Zudem kann es zu einer Lymphadenopathie als auch zur Ausprägung eines mononukleoseähnlichen, morbilliformen oder makulopapulösen Exanthems kommen (ca. 3 Wochen - 3 Monate nach Erstinfektion). Auch wurde das Auftreten eines Guillain-Barré-Syndroms und von Fazialisparesen berichtet.
  • Abfall der CD4-Lymphozyten, Anstieg von CD8-Zellen
  • HIV-Serologie ist oftmals negativ

 

Latenzstadium: (von Wochen- bis mehrere Jahre dauernd)

  • Klinisch asymptomatische HIV-Infektion
  • HIV-Antikörper sind nachweisbar
  • Im Verlauf langsamer Anstieg der HI-Viruslast
  • Durch die Behandlung mit HAART kommt es zu einer deutlichen Verlängerung des Latenzstadiums
  • Allmählich Vemehrt sich das HI-Virus signifikant. Von einem Lymphadenopathiesyndrom (LAS) und einem AIDS-Related-Complex (ARC) spricht man beim Auftreten von:
    • 2 oder mehrere extrainguinalen Lymphknoten, die länger als 3 Monate vergrössert sind
    • Fieberschübe unklarer Genese, die länger als 4 Wochen anhalten
    • Bakteriellen Infektionen (z.B. Streptococcus pneumoniae, Salmonellen)
    • Therapieresistenten Durchfällen ohne Erregernachweis
    • Oraler Haarleukoplakie
    • Chronische mukokutane Kandidose (Mundsoor)
    • Herpes-simplex/ Herpes Zoster

 

AIDS-Stadium:

  • Ohne Behandlung erlangt man das AIDS-Stadium in 1-15 Jahren
  • Reduktion der zellulären Immunkompetenz
  • Auftreten von:
    • Opportunistischen Infektionen (z.B.: Toxoplasmose B. Pneumocystis carinii Pneumonie, Tuberkulose, atypischen Mycobakteriosen oder Zytomegalieinfektionen)
    • Tumoren (Plattenepithelkarzinome, Basalzellkarzinome, anale intraepitheliale Neoplasien, Zervix-CA, Analkarzinome, NHL-Lymphome und Kaposi-Sarkom). Bei mehr als 90% bestehen latente HPV-Infektionen
    • Progressive multifokale Leukenzephalopathie (Jacob-Creutzfeld-Virus)

 

HIV-assoziierte virale Erkrankungen

  • Herpes-simplex-Virus
  • Varicella-Zoster-Virus
  • Immunrekonstitutions-Syndrom: Diskutiertes Syndrom, bei dem durch die verbesserte zelluläre Immunantwort nach Beginn einer HAART-Therapie eine latente Infektion maskiert wird. 3-6 Monate nach Thearpiebeginn kann es zu tödlich verlaufenden Sekundärinfektionen kommen
  • Hepatitis-B/C-, Mycobacterium-avium-Erkrankungen, Lupus erythematodes oder Morbus Basedow
  • Zytomegalievirus: Durchseuchung der Bevölkerung liegt bei 50%, bei Risikogruppen bis zu 90% (z.B.: Homosexuellen und Drogenabhängigen)
  • Orale Haarleukoplakie: Weissliche, am Zungenrand bzw. an der Wangenschleimhaut lokalisierte weissliche, nicht abstreifbare, teil verruziforme Plaque. Die orale Haarleukoplakie kann bei HIV-Infektion, Autoimmunerkrankungen und nach medikamentöser Immunsupression auftreten
  • Infektion mit humanen Papillomviren
  • Verrucae vulgares: Vermehrtes Auftreten bei zellulärer Immundefizienz, in welchem Falle sie sich durch Therapieresistenz auszeichnen. Bei HIV-positiven Patienten sind vor allem filiforme Warzen im Bereich des Stammes, facial typisch
  • Condylomata acuminata: HPV-induzierte Erkrankungen bis hin zu genitoanalen Plattenepithelkarzinomen und Zervixkarzinomen sind sogar unter einer HAART Therapie nicht rückläufig
  • Mollusca contagiosa: Bei schlechtem Immunstatus häufig als exanthematische Aussaat oder Riesenmollusca auftretend

 

HIV-assoziierte Mykosen

  • Kandidosen
  • Mundsoor, Soorösophagitis, Candidaintertrigo und genitale Candida-Infektionen können schon bei normalen CD4+-T-Lymphozyten auftreten. Sie stellen die häufigsten Infektionskrankheiten bei HIV-positiven Patienten dar
  • Orale Kandidose: häufigste Hefepilzerkrankung bei HIV positiven Patienten (70-80%). Die klinische Manifestationsmöglichkeiten umfassen: Perléche, akute erosive Kandidose, chronisch atrophische Kandidose, chronisch hyperplastische Kandidose
  • Penicilliummarneffei: Pilzinfektion insbesondere bei HIV-positiven Patienten aus Südostasien
  • Malassezia furfur (Pityrosporum ovale): Ca. 3-4% der HIV-infiziierten Patienten erkranken an diesem Hefepilz
  • Haarzunge: Weissliche, teils dunkelbraun/schwarze Papillenhyperpliase des Zungenrückens. In der Bevölkerung finden sich bei weniger als 1% der Menschen derartige Schleimhautveränderungen, wobei diese immerhin bei 25% der HIV-positiven Patienten auftreten

 

HIV-assoziierte bakterielle Erkrankungen

  • Bakterielle Infektionen: Treten im Zusammenhang mit dem HI-Virus nicht so häufig wie virale oder mykotische Erkrankungen auf
  • Follikulitiden: Erreger sind meist Staphylococcus aureus und Korynebakterien. Rücken, Oberschenkel und die Glutealregion sind insbesondere betroffen
  • Furunkel und Abszesse: Meist duruch Staphylococcus aureus, E. coli und P. aeruginosa verursacht
  • Ekthyme und Erysipele
  • Akut nekrotisierende, ulzerierende Gingivitis: Regression der Interseptalpapillen und orale Schleimhautulzera können bei HIV-Patienten vorkommen und werden durch meist grampositive Bakterien und Candida albicans ausgelöst. Schlussendlich kann dies zur Knochenerosion bzw. zum Zahnverlust führen
  • Syphilis: Beide Infektionen erhöhen die Wahrscheinlichkeit an der jeweils anderen zu erkranken. Die Syphilis-Prävalenz beträgt bei HIV-infizierten homosexuellen Männern ca. 40%

 

HIV-assoziierte Mykobakteriosen

  • Tuberkulose: Bei HIV-Patienten kommt es zu einer erhöhten Erkrankungsrate und stellt insofern vor allem aufgrund der Immunschwäche ein deutliches Problem dar
  • Atypische Mykobakteriosen
  • Treten insbesondere bei fortgeschrittener bzw. unbehandelter HIV-Infektion auf
  • Bazillare Angiomatose: Durch Bartonella henselae und B. quintana ausgelöste Mykobakteriose tritt vor allem bei CD4-Zellen <200/μl auf

 

HIV-assoziierte parasitäre Erkrankungen

  • Scabies crustose: Bei HIV-positiven Patienten kommt es zu besonders schweren Verlaufsformen

 

HIV-assoziierte Neoplasien

  • Kaposi-Sarkom
  • Basaliome, Melanome und Merkel-Zell-Karzinome: Treten vermehrt und mit aggressiverem Verhalten auf. Eine Prädilektionsstelle ist insbesondere die anogenital Region

 

Nicht infektiöse Dermatosen

  • Seborrhoisches Ekzem: Während in der restlichen Bevölkerung von einer Prävalenz von 3-7% ausgegangen wird, leiden 20-70% der HIV-Infizierten an einem seborrhoischen Ekzem. Als Erreger konnten Malassezia furfur (Pityrosporum ovale), Demodex folliculorum und Candida albicans identifiziert werden
  • Psoriasis vulgaris: Vermehrte Exazerbation unter HIV-Patienten beschrieben
  • Morbus Reiter: Assoziation vor allem im späten Stadium der HIV-Infektion
  • Sebostase, Pruritus, Exsikkationsekzeme, erworbene Ichthyose und atopisches Ekzem: Bei mehr als 30% der Patienten kommt es zur Xerosis cutis
  • Akne vulgaris
  • HIV-assoziierte Photosensibilität
  • Haarwachstumsstörungen
  • Pigmentstörungen: Gehäuft treten Vitiligo, Erythema dyschromicum perstans und Melasma auf.Typisch sind Braunverfärbung der Fingernägel und enorale Hyperpigmentierung der Mukosa unter Zidovudin
  • Autoimmunphänomene: Zu den HIV-assoziierten Autoimmunphänomenen gehören Lupus-erythematodes, Raynaud-Syndrom, Vaskulitiden, Myositiden, Sicca-Symptomatik, renale Störungen, Fieberarthralgien. Im Rahmen der Grunderkrankung treten häufig erhöhte antinukleäre Antikörper und Antiphospholipidantikörper auf
  • Thrombozytopenie: Auftreten im mittleren bis fortgeschrittenen Stadium
  • Aphthen und Ulzerationen: Vor allem bei manifester Immundefizienz
  • Arzneimittelexantheme: 500-mal häufiger bei HIV-Infizierten
  • Lipodystrophie-Syndrom: Kann bei der Therapie mit Proteaseinhibitoren (PI) oder Nukleosidtherapie (nukleosidale Reverse-Transkriptase-Inhibitoren) auftreten. Erkrankung mit Fettverteilungs- und Stoffwechselstörung. Die Lipatrophie vor allem im Gesicht, gluteal und an den Extremitäten (Hervortreten der Venen) auf. Zudem kommt es jedoch zur Akkumulation von viszeralem und abdominellem Fettgewebe (Crix belly). Fettpolster im Nackenbereich werden als Stiernacken bezeichnet. Im Rahmen des Lipodystrophie-Syndroms kommt es zur Ausprägung von Lipomen, einer oft schmerzhaften Gynäkomastie und metabolische Störungen

  • Eine Kontrolle des p24-Antigens sollte bis 3 Monate - besser bis 1 Jahr - nach der möglichen Erstinfektion erfolgen
  • Bereits nach 1-2 Wochen kann mittels PCR ein Erregernachweis funktionieren
  • Ein Antikörper-Nachweis (anti p24, anti gp 120/160) mittels ELISA und Western-Blot ist nach 2-6 Wochen, in Einzelfällen auch erst nach mehreren Monaten möglich
  • Verminderung der CD4-Zellzahl unter 500/μl und Reduktion des CD4/CD8-Quotienten unter 1,2
  • Weitere mit der HIV-Aktivität korrelierende Parameter: Zirkulierende Immunkomplexe, CRP, β-2-Mikroglobulin, Neopterin, Gamma-Globuline, Lymphokine, Interferon gamma, Interleukin-2-Rezeptoren

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