Lichen sclerosus
Zuletzt aktualisiert: 2023-01-11
Autor(en): Steybe, T., Navarini A.
ICD11: L90.0
Zuletzt aktualisiert: 2023-01-11
Autor(en): Steybe, T., Navarini A.
ICD11: L90.0
Hallopeau (1887); Darier (1892)
Lichen sclerosus et atrophicus; white spot disease, Lichen albus, Lichen plan atrophique, Balanitis xerotica obliterans
Der Lichen sclerosus ist eine chronisch-entzündliche, nicht-infektiöse, autoimmunologische Erkrankung, bei der phasenhaft verlaufende inflammatorische Prozesse zu einer Gewebsatrophie, starkem Pruritus und Fibrosen der Haut- und Schleimhaut führen können (1).
Auftreten in allen Altersklassen und in beiden Geschlechtern, die Prävalenz der Erkrankung reicht von 0.1 % bei jungen Mädchen bis 3 % bei Frauen über 80 Jahren. Frauen sind je nach Literaturangabe in einem Verhältnis von 1:3 bis 1:10 häufiger betroffen als Männer (2).
Häufig verspätete Diagnosestellung (um 5 Jahre), meist wird die Diagnose bei postmenopausalen Frauen gestellt, wobei sich die Erkrankung in über 50 % der Fälle bereits im prämenopausalen Alter manifestiert (3).
Der extragenitale Lichen sclerosus betrifft in der Regel Erwachsene und tritt in 6-11% der Fälle auf (9).
Je nach Klinik, Manifestation und Lokalisation der Erkrankung lässt sich der Lichen sclerosus einteilen in:
Die einzelnen Krankheitsstadien können je nach Ausprägung und Klinik weiterhin in verschiedene Schweregrade eingeteilt werden (1).
Als klinischer Score eignet sich der CLISSCO als Scoresystem, mit dem sich das vorliegende klinische Bild detailliert einem Schweregrad zuteilen lässt. Die Ausprägung der Symptome, klinischen Zeichen und anatomischen Veränderungen lassen sich auf einer Likert Skala von 0-4 festlegen, die maximale Punktzahl bei maximal schwerer klinischer Ausprägung beträgt 36 Punkte (12).
Table 3 The "Clinical Lichen Sclerosus Score" (CLISSCO) and description of items
CLISSCO | Description of items | |
---|---|---|
Symptomsa | Itch | Severity of vulvogenital itch in the past 3 months |
Pain | Severity of pain (related or unrelated to intercourse) in the past 3 months | |
Dysuria | Pain/irritation/discomfort when urinating in the past 3 months | |
Signsa | Whitening | Intensity and extent of whitening/depigmentation |
Petechia or ezchymosis | Intensity and extent of petechiae/ecchymosis | |
Fissures | Intensity and extent of anogenital fissures | |
Architecturalchangea | Clitoral hood fusion | Extent of fusion of the prepuce (which leads to inability to fully retract it over the clitoral glans and may lead to complete burying of the clitoral glans) |
Labial fusion or resorption | Extent of fusion of labia majora and minor along the sulcus intralabialis up to complete loss of labia minora |
|
Narrowing of the introitus | Extent of objective narrowing of the introitus | |
Anterior changes | Extent of subditoral fusion of tissue across the midline causing urethral occlusion at its extreme | |
Perianal involvement | Extent of disease involving perianal (not only perineal) area | |
Formation of posterior commissure band | Extent of tightness and fissures of an inelastic band on the posterior commissure |
aAll symptoms, signs, and architectural changes were rated on a 4-point Likert-scale (0 = absent; 1 = mild, 2 = moderate; 3 = severe).
Aetiologisch diskutiert wird eine autoimmunologische, T-Zell-vermittelte Erkrankung. In Fällen des vulvären Lichen sclerosus wurden Phänotypen mit erhöhten Th1-spezifischen Zytokinen sowie einer erhöhten BIC/miR-155 Expression nachgewiesen. Weiterhin konnten in bis zu 60 % der Fälle Autoantikörper gegen ECM1 (Extrazelluläres Matrixprotein) und Anti-BP180 nachgewiesen werden. Die pathogenetische Relevanz dessen ist bislang noch ungeklärt (4).
Auch wird eine genetische Prädisposition angenommen, etwa 10 % aller Patienten mit Lichen sclerosus haben Angehörige mit der Erkrankung (5).
Auch oxidative DNA- Schäden, TP53-Mutationen, hormonelle, traumatische sowie infektiöse Faktoren (Borrelia burgdorferi, EBV, HCV) werden aetiopathologisch diskutiert (6-7).
Konstante Urinexposition wurde als Risikofaktor angeschuldigt. Dafür spricht, dass zirkumzidierte Männer keine Balanitis xerotica obliterans erleiden.
Extragenitaler Befall:
Genito-analer Befall:
Beschriebene Symptome:
Klinisches Bild:
Klinik, Biopsie.
Hinweis: es sollte unbedingt auf eine ausreichend tiefe Stanzbiopsie aus der läsional, nicht-steroidal vorbehandelten Haut/Schleimhaut geachtet warden.
Extragenitaler Befall: Axillen, claviculär, Hals, prästernal, submammär, mammär, Beugeseiten der Unterarme, Schultern, Mundschleimhaut (8).
Genitaler Befall: Vulva, Präputium, Glans penis, Analbereich („Figure-of-eight) (1).
Frühstadium: Epithelatrophie, Orthohyperkeratose, Hypergranulose. Subepithelial bandförmig angeordnetes, epidermotropes rundzelliges Infiltrat. Dieses kann durchaus erhebliche Dichte annehmen, so dass differentialdiagnostisch eine Abgrenzung zu epidermotropen kutanen T-Zell-Lymphomen erfolgen muss.
Intermediärstadium: Elastikafaser-freie Ödemzone, mit weitklaffenden Blut- und Lymphgefäßen, die sich reißverschlussartig zwischen die Epidermis und die bandförmige Entzündungszone schiebt. Bullöse Umwandlung ist möglich.
Spätstadium: Zunehmende Sklerosierungstendenz und Rückbildung der zellulären Entzündungsphänomene.
Vollständiger Funktionsverlust des Anogenitale, Kraurosis vulvae, Balanitis xerotica obliterans (1), Entstehung von Plattenepithelkarzinomen in bis zu 6 % der Fälle (6).
Vermeidung von Urininkontinenz, Zirkumzision
Meist chronischer Verlauf.
Eine konsequente topische Langzeittherapie kann eine irreversible Narbenbildung in bis zu 36, 6 % und die Bildung von Plattenepithelkarzinomen in 4.7 % verhindern (1).
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Allgemein:
Je nach Patientenalter, Schweregrad und Lokalisation der Erkrankung sind gemeinsam mit dem Patienten unterschiedliche Therapieoptionen und Ziele zu besprechen.
Im Vordergrund steht die Symptomkontrolle. Zur Therapieobjektivierung können als Verlaufsparameter Scoresysteme, wie z.B. der CLISSCO Score angewandt werden (vgl. o. (12))
Topische Therapie:
Rückfettende Externa:
Eine gleichzeitige Therapie mit rückfettenden Externa während der Standardtherapie bei Frauen und Mädchen mit genitalem Lichen sclerosus wird stark empfohlen. |
↑↑ |
Eine gleichzeitige Therapie mit rückfettenden Externa während der Standardtherapie bei Männern, Jungen mit genitalem Lichen sclerosus und Patienten mit extragenitalem Lichen sclerosus wird empfohlen. | ↑ |
Topische Steroide
Eine Therapie mit hochpotenten bis potenten Glukokortikosteroiden bei Frauen mit genitalem Lichen sclerosus wird stark empfohlen. |
↑↑ |
Eine Therapie mit hochpotenten bis potenten Glukokortikosteroiden bei Mädchen mit genitalem Lichen sclerosus wird stark empfohlen. |
↑↑ |
Eine Therapie mit hochpotenten bis potenten Glukokortikosteroiden bei Männer mit genitalem Lichen sclerosus wird stark empfohlen. |
↑↑ |
Eine Therapie mit hochpotenten bis potenten Glukokortikosteroiden bei Jungen mit genitalem Lichen sclerosus wird stark empfohlen. |
↑↑ |
Eine Therapie mit hochpotenten bis potenten Glukokortikosteroiden bei Patientin mit extragenitalem Lichen sclerosus wird empfohlen. |
↑ |
Intraläsionale Glukokortikoisteroide
Eine Therapie mit intraläsionalen Glukokortikosteroiden für hyperkeratotische Läsionen bei Frauen mit steroid-resistentem genitalem Lichen sclerosus wird empfohlen (vorausgesetzt, dass der Ausschluss von Malignität erfolgt ist). |
↑ |
Für eine Therapie mit intraläsionalen Glukokortikosteroiden für hyperkeratotische Läsionen bei Mädchen, Männern und Jungen mit genitalem Lichen sclerosus sowie bei Patienten mit extragenitalem Lichen sclerosus kann keine Empfehlung abgegeben werden. |
0 |
Topische Calcineurininhibitoren
Eine Therapie mit topischen Calcineurin Inhibitoren bei Frauen, Mädchen, Männern und Jungen mit genitalem Lichen sclerosus sowie bei Patienten mit extragenitalem Lichen sclerosus wird als Zweitlinientherapie oder als zusätzliche Therapie empfohlen, wenn topische Glukokortikosteroide kontraindiziert oder nicht ausreichend sind (off-label). | ↑ |
Topische Retinoide
Für die Therapie mit topischen Retinoiden bei Frauen, Mädchen, Männern und Jungen mit genitalem Lichen sclerosus sowie bei Patienten mit extragenitalem Lichen sclerosus kann keine Empfehlung abgegeben werden (off-label). |
0 |
Topische Hormonpräparate
Eine Therapie mit topischen Hormonpräparaten bei Frauen, Mädchen, Männern und Jungen mit genitalem Lichen sclerosus sowie bei Patienten mit extragenitalem Lichen sclerosus wird nicht empfohlen. |
↓↓ |
Systemische Therapie
Selten indiziert bei therapieresistenten Fällen.