Makulopapulöses Arzneimittelexanthem

Zuletzt aktualisiert: 2025-02-11

Autor(en): Anzengruber F., Navarini A.

ICD11: EH60

  • Drug-induced maculopapular exanthem
  • Morbilliformes Arzneimittelexanthem
  • Rubeoliformes Arzneimittelexanthem

Ein makulopapulöses Arzneimittelexanthem ist eine häufige Form einer unerwünschten kutanen Arzneimittelreaktion. Charakteristisch sind symmetrisch auftretende, erythematöse, makulopapulöse Hautveränderungen, die in ihrem Erscheinungsbild rubeoliform, morbilliform oder skarlatiniform sein können. In manchen Fällen können die Effloreszenzen gyriert oder retikulär konfiguriert sein.

Die häufigste Form der Arzneimittelreaktionen. Die geschätzten Inzidenzraten liegen bei 2–5 % bei Risikomedikationen, wobei jedoch zu beachten ist, dass milde Verläufe häufig in der ambulanten Versorgung nicht vollständig erfasst werden. Das Auftreten ist alters- und geschlechtsunabhängig, wobei die Prävalenz je nach Population und Expositionshäufigkeit gegenüber bestimmten Medikamenten variiert.

Eine feste Einteilung in Unterformen existiert nicht, allerdings können verschiedene klinische Muster (rubeoliform, morbilliform, skarlatiniform, gyriert, retikulär) unterschieden werden. Zudem gibt es eine wichtige Sonderform, das sogenannte SDRIFE (Baboon/Pavian-Syndrom), bei dem ein auffallend erythematöses Exanthem im Bereich der Gesäß- und Oberschenkelregion auftritt.

  • Die Ätiopathogenese ist ungeklärt und im Detail noch nicht vollständig verstanden. Es wird jedoch angenommen, dass es sich um eine immunologische Reaktion gegen ein Medikament oder dessen Metaboliten handelt, die von T-Zellen vermittelt wird und sich sowohl im Blut als auch im Gewebe manifestiert.
  • Häufige Auslöser sind z. B.:

    • Ampicillin (insbesondere nach infektiöser Mononukleose fast obligat)
    • Andere Penizillinderivaten
    • Pyrazolonderivaten
    • Butazonverbindungen
    • Sulfonamiden
    • Phenytoin
    • Carbamazepin
    • Cephalosporine
    • NSAR
    • Chlorpromazin
    • Meprobamat
  • Die Latenzzeit bis zum Auftreten der ersten Hautveränderungen variiert:

    • Nach 3 Tagen: Sulfonamide
    • Nach 4–7 Tagen: Ampicillin
    • Nach 8–12 Tagen: Amoxicillin
    • Erst nach bis zu 8 Wochen: Carbamazepin, Phenytoin oder Allopurinol

  • Erythematöse, makulopapulöse, teils rubeoliforme, in manchen Fällen morbilliforme oder skarlatiniforme, meist symmetrische Effloreszenzen.

  • Gelegentlich gyrierte oder retikuläre Exantheme.

  • In seltenen Fällen unilaterale Exantheme (z. B. bei Hemiplegie) und/oder (ausschliesslich) in Körperfalten lokalisiert.

  • Sonderform: SDRIFE (Baboon/Pavian-Syndrom), gekennzeichnet durch ein ausgeprägtes Erythem im Bereich der Gesässfalten.
     

Fakultative Begleitsymptome

  • Purpura
  • Blasen
  • Enanthemen
  • Juckreiz, brennende Missempfindung

 

Systemische Zeichen:

  • Lymphknotenschwellung
  • Arthralgien
  • Arzneimittelfieber

 

Cave bei Hinweisen/Zeichen für schwere Arzneimittelreaktionen:

  • Pustel- oder Vesikelbildung
  • Schmerzhaftigkeit der Hautläsionen
  • Befall von Schleimhäuten
  • Hautfragilität
  • Gesichtsödem
  • Bluteosinophilie

1. Anamnese

  • Medikamenteneinnahme?
  • Erstmalige Einnahme oder Wiederholung?
  • Schon einmal ähnliche Hautveränderungen nach demselben Medikament?
  • Zeitlicher Zusammenhang? 
  • Auf Blatt Papier eine Aufstellung machen der verschiedenen Medikamenteneinnahmen – sehr hilfreich. 

2. Klinik

  • Ausbreitungsmuster, Morphologie der Effloreszenzen
  • Begleitsymptome (Fieber, Lymphknotenschwellung etc.)

3. Zusätzliche Untersuchungen

  • Epikutantest (mit Spätablesung)
  • Lymphozytenproliferationstest
  • Histopathologie (Biopsie)

4. Labor

  • Blutbild (insbesondere Eosinophilenzahl)
  • Leber- und Nierenfunktionsparameter (bei Verdacht auf schwerwiegende Verläufe)

  • Beginn meist am Rumpf, gefolgt von Ausbreitung mit Einbezug der Extremitäten, insbesondere der Streckseiten.
  • Gesicht sowie die Körperfalten sind häufig ausgespart.

  • Infektiöse Mononukleose und Einnahme von Penicillin-Antibiotika: Ein makulopapulöses Arzneimittelexanthem tritt hier fast obligat auf.
  • Zeitliche Korrelation zwischen Beginn der Medikation und Auftreten des Exanthems (siehe Ätiopathogenese: Latenzzeiten).

  • Eher unspezifisch: perivaskuläre, lymphohistiozytäre Infiltrate.
  • Grenzflächendermatitis mit Vakuolisierung der Basalmembranzone.
  • Hinweise auf medikamentöse Ätiologie: Dyskeratosen, Ballonierung basaler Keratinozyten und Granulozyten im Infiltrat.
  • Immunhistologie: CD3+ T-Zellen; CD4+ > CD8+ Zellen.

  • Hypersensitivitätssyndrom (DRESS)
  • Toxische epidermale Nekrolyse (TEN) bzw. Stevens-Johnson-Syndrom (SJS)
  • Übergang in eine schwere systemische Reaktion (z. B. Erythrodermie)

  • Vermeidung bekannter Auslöser, insbesondere bei dokumentierter Allergie (z. B. Verzicht auf erneute Gabe bei eindeutigem Zusammenhang).
  • Bei Hochrisikokonstellationen (z. B. HLA-B58:01 und Allopurinol-Gabe) kann eine genetische Testung in Einzelfällen erwogen werden.
  • Engmaschige ärztliche Überwachung bei verordneten Hochrisikomedikamenten.

  • Die Dauer der Reaktion ist abhängig von
    • dem Ausmass der Reaktion,
    • der Dauer der Arzneimittelzufuhr,
    • individuellen Faktoren des Patienten.
  • Die komplette Abheilung erfolgt in der Regel nach wenigen Tagen bis zu mehreren Wochen. Auch unter systemischen Steroiden kann die Intensität durchaus noch einige Tage hoch bleiben und sogar zunehmen.
  • Nach Absetzen des auslösenden Medikaments – sofern keine extrakutane Symptomatik besteht – häufig selbstlimitierend.

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