Toxisches Erythem der Chemotherapie

Zuletzt aktualisiert: 2025-02-11

Autor(en): Navarini A.A.

ICD11: -

TEC wird klinisch und histologisch unter verschiedenen Bezeichnungen geführt, die oft von der primär betroffenen Hautregion abhängen. Zu den Synonymen gehören.

  • Hand-Fuss-Syndrom
  • Chemotherapie-induziertes akrales Erythem
  • palmoplantares Erythem oder palmoplantare Erythrodysaesthesie
  • Chemotherapie-induzierte ekkrine Reaktion
  • Intertriginöses Erythem (mit überwiegender Beteiligung der Körperfalten)

Das toxische Erythem nach Chemotherapie (TEC) ist eine toxische, nicht immunvermittelte Hautreaktion, die als Folge der direkten zytotoxischen Wirkung von Chemotherapeutika auf die Epidermis und die ektokrinen Schweissdrüsen auftritt. Klinisch manifestiert sich die TEC in Form von schmerzhaften, erythematösen Plaques, häufig begleitet von Ödemen, bullösen Veränderungen, Desquamation und postinflammatorischer Hyperpigmentierung. Diese Reaktionen treten typischerweise innerhalb von 2 Tagen bis 3 Wochen nach Verabreichung der Chemotherapie auf, können aber bei kontinuierlicher Infusion auch verzögert (2-10 Monate) auftreten.

  • TEC ist eine häufig beobachtete Nebenwirkung bei Patienten, die eine hochdosierte oder kontinuierliche Chemotherapie erhalten.
  • Die Inzidenz variiert je nach Chemotherapeutikum und Dosierung, z.B. wurden palmar-plantare Erytheme in Abhängigkeit von der kumulativen Dosis in 10-67% der mit Cytarabin behandelten Patientenpopulationen berichtet.
  • Die tatsächlichen Raten können je nach Patientenkollektiv und zusätzlichen Risikofaktoren (wie Neutropenie oder begleitende Antibiotikatherapie) variieren.
     

Obwohl TEC als ein einheitliches toxisches Phänomen angesehen wird, gibt es klinisch und histologisch verschiedene Präsentationsformen, die als Teil eines Spektrums angesehen werden können:

  • Akrales Erythem / Hand-Fuss-Syndrom: Überwiegende Beteiligung der Hände und Füsse.
  • Intertriginöses Erythem: Erythematöse Veränderungen in Körperfalten (z.B. Achseln, Leisten).
  • Epidermale Dysmaturie: Histologische Veränderungen der Epidermis (z. B. bizarre mitotische Konfigurationen, Verlust der Zellpolarität).
  • Eccrine squamöse Syringometaplasie: Metaplastische Umwandlung der Zellen der ektokrinen Schweissdrüsen, häufig in Verbindung mit den anderen Manifestationen.
  • Neutrophilic Eccrine Hidradenitis: Eine Form, bei der ein neutrophiles Infiltrat und nekrotische Veränderungen in den Schweissdrüsen im Vordergrund stehen.

 

Diese Entitäten überlappen sich häufig klinisch und histologisch, so dass der Begriff TEC ein nützlicher deskriptiver Sammelbegriff ist.

  • Direkte zytotoxische Wirkung: Chemotherapeutika wirken toxisch auf Keratinozyten und die Zellen des ekkrinen Schweissdrüsensystems.
  • Schweisssekretion als Exkretionsweg: Die Ausscheidung von Chemotherapeutika über den Schweiss kann zu lokal erhöhten Konzentrationen führen, die insbesondere an Händen, Füssen und intertriginösen Zonen zu Zellschädigungen führen können.
  • Pathophysiologische Faktoren: Neben dem toxischen Insult spielen mechanische Faktoren wie Reibung, lokale Temperaturgradienten und vaskuläre Besonderheiten eine Rolle.
  • Histologische Korrelate: Charakteristische Veränderungen sind Apoptose und Nekrose von Keratinozyten, Dysmaturationsprozesse, vakuoläre Degeneration der Basalschicht und ekkrine squamöse Syringometaplasie.

  • Hautveränderungen:
    • Erythematöse Flecken oder Plaques, häufig begleitet von Ödemen.
    • Bullöse Veränderungen können in Bereichen mit intensivem Erythem auftreten und später erosiv werden.
    • Desquamation und postinflammatorische Hyperpigmentierung während der Abheilung.

 

  • Symptome:
    • Starke Schmerzen, Brennen, Parästhesien und manchmal Pruritus, die die Lebensqualität beeinträchtigen können.

 

  • Zeitlicher Verlauf:
    • Typischerweise Beginn 2 Tage bis 3 Wochen nach der Chemotherapie.
    • Bei kontinuierlichen Infusionen oder oralen Chemotherapeutika kann der Beginn verzögert sein (bis zu mehreren Monaten).

 

  • Systemische Nebenwirkungen:
    • In einigen Fällen können auch Schleimhautläsionen (z.B. Mukositis) und gastrointestinale Symptome auftreten, da ähnliche toxische Effekte im Verdauungstrakt beobachtet werden.

  • Anamnese
    • Detaillierte Erfassung der Chemotherapie (Art des Chemotherapeutikums, Dosis, Zyklusintervall) sowie der Begleitmedikation (z.B. Antibiotika).
  • Klinische Beurteilung:
    • Typisches Muster mit Befall der Hände, Füsse und intertriginösen Zonen, gelegentlich auch generalisierte Verteilung.
  • Histopathologische Untersuchung (siehe unten)
  • Differentialdiagnose:
    • Abgrenzung zu allergischen Arzneimittelreaktionen, infektiösen Exanthemen, Graft-versus-Host-Disease (GVHD) und Vaskulitiden, wobei der zeitliche Zusammenhang mit der Chemotherapie und der histologische Befund entscheidend sind.

  • Primärer Befall:
    • Hände und Füsse (palmar und plantar) sind besonders häufig betroffen, daher auch der Begriff „acral erythema“.
  • Weitere Lokalisationen:
    • Intertriginöse Areale (Achselhöhlen, Leisten)
    • Druckstellen und Stellen mit lokaler Reibung (z.B. Ellenbogen, Knie, Ohrläppchen)
    • In einigen Fällen kann sich das Erythem auch generalisiert auf Kopf, Hals, Rumpf und Extremitäten ausbreiten.

  • Chemotherapeutische Behandlung:
    • Patienten haben eine Vorgeschichte mit laufender oder kürzlich abgeschlossener Chemotherapie, häufig mit Hochdosisregimen oder kontinuierlichen Infusionsprotokollen.
  • Multimedikamentöse Therapie:
    • Häufig werden mehrere Medikamente (z.B. Chemotherapeutika, Antibiotika) verabreicht, was das differentialdiagnostische Spektrum erweitert.
  • Weitere Risikofaktoren:
    • Vorangegangene Strahlentherapie oder Stammzelltransplantation können zusätzliche Risikofaktoren darstellen, da sie auch die Haut und das Immunsystem betreffen.

Die histologischen Befunde bei TEC umfassen typischerweise

 

  • Keratinozytenveränderungen:
    • Apoptose, Nekrose, Mitose-Rest und bizarre Mitose-Konfigurationen
    • Dysmaturation mit Verlust der Zellpolarität und Keratinozyten-Crowding
  • Basalzellschicht:
    • Vakuoläre Degeneration und teilweise konfluierende Nekrose der oberen Epidermis
  • Eccrine Drüsen:
    • Syringometaplasia eccrine squamosa: Metaplastische Transformation der Zellen des ektokrinen Typs (Übergang zu einem Stratum spinosum-ähnlichen Erscheinungsbild).
    • Gelegentlich werden auch apoptotische Veränderungen oder spongiöse Reaktionen innerhalb der eccrinen Strukturen beobachtet.
  • Dermis:
    • Häufig nur geringes, teilweise neutrophiles entzündliches Infiltrat
    • Dermales Ödem, das die klinische Ödembildung unterstützt

  • Rezidivrisiko:
    • TEC kann bei erneuter Exposition mit der gleichen oder einer höheren Dosis des Chemotherapeutikums wieder auftreten oder sich verschlimmern.
  • Schwere Symptomatik:
    • Starke Schmerzen und Beeinträchtigung der Lebensqualität können das tägliche Leben der Patienten erheblich einschränken.
  • Verwechslungsgefahr:
    • Fehldiagnosen (z.B. GVHD oder infektiöse Prozesse) können zu unnötigen und potentiell schädlichen therapeutischen Interventionen führen, wie z.B. der Einsatz systemischer Kortikosteroide.

  • Anpassung der Chemotherapie:
    • Dosisreduktion, Verlängerung der Intervalle zwischen den Chemotherapiezyklen oder im Einzelfall das Absetzen des auslösenden Chemotherapeutikums können helfen, das Wiederauftreten von TEC zu verhindern.
  • Vorbeugende Massnahmen:
    • Anwendung kühler Kompressen oder lokaler Hypothermie zur Reduktion der Schweissdrüsenaktivität.
    • Vermeidung von übermässiger Reibung und Traumatisierung der betroffenen Hautstellen.
  • Medikamentöse Prophylaxe:
    • In Fallberichten wurde die Anwendung von Vitamin B6, Vitamin E, topischem 99 % Dimethylsulfoxid (DMSO) und oralem Celecoxib vorgeschlagen, um die Schwere und Häufigkeit der Reaktion zu reduzieren.

  • Selbstlimitierender Verlauf:
    • TEC ist in der Regel selbstlimitierend und heilt ohne spezifische aggressive Intervention ab.
  • Heilungsphase:
    • Auf die initiale Phase der Erythem- und Ödembildung folgt häufig eine Desquamation, die von einer postinflammatorischen Hyperpigmentierung begleitet sein kann.
  • Rezidivrisiko:
    • Eine erneute Exposition mit dem auslösenden Chemotherapeutikum kann zu einem Rezidiv oder einer Verstärkung der Reaktion führen.
  • Langzeitprognose:
    • Die Hautveränderungen führen selten zu bleibenden Schäden, sofern die zugrunde liegende Therapie fortgesetzt wird und geeignete supportive Massnahmen ergriffen werden.

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