Tuberöse Sklerose (Bourneville-Pringle-Syndrom)
Zuletzt aktualisiert: 2023-03-20
Autor(en): Lindemann H.
ICD11: Q85.1
Zuletzt aktualisiert: 2023-03-20
Autor(en): Lindemann H.
ICD11: Q85.1
Pringle, 1880; Bourneville,1890
Bourneville M.; Epiloia (Epilepsy – low intelligence – adenoma sebaceum) Bourneville-Pringle Disease; Bourneville-Brissaud-Krankheit; Bourneville-Pringle Syndrom; Hirnsklerose; Tuberöse Sklerose Komplex; Tuberosklerose; Tuberous sclerosis complex; Morbus Bourneville; Morbus Bourneville-Pringle; Neurospongioblastosis diffusa; Phakomatosis (Bourneville); Neurinomatosis centralis (Orzechewski)
Es handelt sich um ein neurokutanes Fehlbildungssyndrom. Die tuberöse Sklerose ist gekennzeichnet durch die multifokale Ausbildung von Hamartomen, unter anderem im Gehirn, Herzen, Augen, Nieren, Lungen, Haut und Leber.
Klinisch zeigt sich die tuberöse Sklerose typischerweise in einer Symptom-Trias aus periungualen Angiofibromen, einer mentalen Retardierung und Epilepsie. Die sogenannte Vogt-Trias. EPILOIA ist die Abkürzung für Epilepsy – low intelligence – adenoma sebaceum.
Humangenetische Untersuchungen zeigten eine Prävalenz von 1:6.000.
Beide Geschlechter und alle Ethnien sind gleichermaßen betroffen.
Je nach Klinik können mildere und schwere Verlaufsformen unterschieden werden.
Es gibt Patienten mit Keinbahn-Mutationen, aber ebenfalls Personen mit nur somatischen Mutationen. In 15% der Verdachtsfälle ist der genetische Test negativ. Davon haben aber immer noch 50% somatische Mutationen.
Eine Vererbung erfolgt autosomal-dominant und mit einer hohen Penetranz. Jedoch kommt es in circa 70% der Fälle zu Neumutationen.
Es zeigen sich Mutationen des TSC1- (9q34) und TSC2-Gens (16p13), welche in Funktionsstörungen der Proteine Hamatarin (TSC1) und Tuberin (TSC2) resultieren.
Mutationen in TSC1 und TSC2 führen zu einer unkontrollierten Aktivität von Rheb (Ras Homolog enriched in brain; GTP-bindendes Protein), welches physiologischerweise mTOR aktiviert. Es kommt zu einem unkontrollierten Zellwachstum und Zelldifferenzierung.
Es kommt zu typischen kutanen Veränderungen:
Extrakutan können sich neurologische Symptome in den ersten Lebensjahren entwickeln.
Krampfanfälle zeigen sich in den ersten 2-3 Jahren fokal, später generalisiert (bei circa 96% der Patienten).
Mentale Retardierungen mit bilddiagnostisch sichtbaren multiplen periventrikulären Kalzifikationen (circa 98%).
Nierenveränderungen in Form von Zysten, Angiomyolipomen (circa 38%) oder Karzinomen (circa 3%).
Angeborene Angiome der Retina, welche sich in der Untersuchung als achromatische Retinaflecken präsentieren.
Milztumore, Adenome und Lipomyome der Leber, kardiale Rhabdomyome, subependymale Riesenzellastrozytome des ZNS oder Lymphangioleiomyomatosen der Lunge sind möglich.
Die Diagnose erfolgt klinisch anhand definierter Minor- und Major-Kriterien.
Für eine wahrscheinliche Diagnose der tuberösen Sklerose müssen 1 Major- und 1 Minor-Kriterium erfüllt sein. Für eine definitive Diagnose sind 2 Major-Kriterien, oder die Kombination von 1 Major-Kriterium und 2 Minor-Kriterien gefordert.
Zu den Major-Kriterien zählen:
3 oder mehr hypomelanotische Flecken, 3 oder mehr Angiofibrome, 2 oder mehr Nagelfalztumore, sakraler Bindegewebsnävus, multiple Hamartome der Netzhaut, kortikale Tubera, subependymale Glioknoten, subependymales Riesenzellastrozytom, kardialen Rhabdomyom, Lymphangioleiomyomatosen der Lunge oder 2 oder mehr Angiomyolipome.
Zu den Minor-Kriterien gehören:
Konfettiartige Depigmentierungen, Zahnschmelzdefekte, 2 oder mehr intraorale Fibrome, unpigmeniterte Flecken der Netzhaut, multiple renale Zysten oder nicht renale Hamartome.
Es stehen humangenetische Diagnostikmöglichkeiten zu Verfügung, um Mutationen in den Genen TSC1 und TSC2 zu identifizieren.
Es gibt Patienten mit Keinbahn-Mutationen, aber ebenfalls Personen mit nur somatischen Mutationen. Bei circa 10-15% können trotz entsprechendem klinischen Phänotypen keine Mutationen nachgewiesen werden. Davon haben aber immer noch 50% somatische Mutationen.
Die Krankheit hat eine multifokale Manifestation. Wenn z.B. Angiofibrome stark eine Seite bevorzugen (3:1), dann muss an somatische Mutationen gedacht werden.
In der Histologie hypopigmentierter Flecken zeigt sich weniger epidermales Melanin, bei einer normalen Anzahl an Melanozyten.
Angiofibrome zeigen histologisch fibröses Gewebe und Blutgefäße mit einer möglicherweise komprimierten Adnexe. Typischerweise zeigt sich perifollikulär eine konzentrische Fibrose. Pflastersteinnävi und peringuinale Angiofibrome stellen sich histologisch als Kollagenom dar. Elastinfasern fehlen hier charakteristischerweise.
Keine möglich für Betroffene mit der Mutation, hingegen Familienplanung möglich mit genetischer Beratung.
Die Prognose richtet sich je nach Ausprägung der tuberösen Sklerose.
Die Lebenserwartung kann möglicherweise begrenzt durch Infektionen, Epilepsie oder Tumore sein.
Kinder ohne epileptische Anfälle in den ersten fünf Lebensjahren haben eine bessere Prognose.
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Eine genetische Beratung ist notwendig.
Die Therapie richtet sich nach der Symptomatik und klinischen Befund. Eine kausale Therapie ist bis heute noch nicht bekannt.
Seit 2017 kann Everolimus bei Patienten mit subependymalen Riesenzellastrozytomen oder renalen Angiomyolipoma eingesetzt werden. Und als Begleittherapie bei refraktären, partiellen, epileptischen Anfällen, mit oder ohne sekundärer Generalisierung wirken.
Everolismus ist ein mTor-Inhibitor und zeigte in Studien positive Effekte auf den klinischen Verlauf der Patienten. Für Sirolimus sind ähnliche Effekte zu erwarten.
Operativ können unguale Angiofibrome und Zahnfleischwucherungen behandelt werden.
Fibroadenome und Trichoepitheliome im Gesicht können mittels Dermabrasio oder CO2-Laser-Therapie behandelt werden. Wobei die Ergebnisse aus kosmetischer Sicht oftmals als unbefriedigend erlebt werden. Andere Therapieoptionen könnten Laser, Kryotherapie oder Elektrokauterisierungen mit der spitzen Nadel darstellen.