Von-Hippel-Lindau-Syndrom
Zuletzt aktualisiert: 2022-11-16
Autor(en): Lindemann H.
ICD11: Q85.8
Zuletzt aktualisiert: 2022-11-16
Autor(en): Lindemann H.
ICD11: Q85.8
von Hippel, 1895; Lindau,1926
Angiomatosis cerebelli et retinae; Cerebroretinal angiomatosis; Lindau's disease; Netzhautangiomatose; Familiäre Retino-zerebelläre Angiomatose; Familiäre retinozerebelläre Angiomatose; von Hippel-Lindau syndrome; Enzephaloretinale Angiomatose; Angiomatosis cerebelli et retinae; OMIM: 193300
Es handelt sich bei dem von-Hippel-Lindau-Syndrom (VHL) um eine neurokutane Systemerkrankung, bei der es zu verschiedenen malignen und benignen Neoplasien kommt. Unter anderem retinale, spinale und zerebrale Hämangioblastome, Phäochromozytome, sowie Nierenzellkarzinome. Die Haut zeigt typischerweise Naevi flammei.
Prävalenz von circa 1:40.000.
Beide Geschlechter sind in etwa gleichermaßen betroffen.
Je nach Mutation:
VHL Typ 1: in 50%. Keine Phäochromozytome. Häufig Mikrodeletionen und Nonsense-Mutationen.
VHL Typ 2: Mit Phäochromozytomen. Fast immer Missense-Mutationen. Durch zusätzliche VHL-Punktmutationen weitere Subtypisierungen möglich.
Eine Vererbung erfolgt autosomal-dominant und mit einer hohen Penetranz, jedoch variabler Expressivität. In circa 10-30% der Fälle mit Neumutationen.
Es kommt zu Mutationen des VHL-Gens (3q25.3). Über 300 verschiedene Mutationen sind bekannt. Dabei korrelieren Mutationsarten mit klinischen Phänotypen (siehe Einteilung). Die VHL-Genmutation führt zu einer Störung des VHL-Tumorsuppressorgens und damit unteranderem zu Fehlregulationen des Zellzyklus und der Angiogenese von Neubildungen.
Die Tumorentstehung erfolgt bei der VHL nach dem Kudsonschen two-hit Modell.
Der Krankheitsbeginn zeigt sich häufig im frühen Erwachsenenalter (mittleres Diagnosealter 26 Jahre). Die Klinik ist je nach Tumorgeschehen sehr variable. Häufig zeigen sich Allgemeinsymptome wie Kopfschmerzen, Abgeschlagenheit und Hypertonie.
Haut: Naevus flammeus.
Auge: Retinale Hämangioblastome (häufigstes erstes klinisches Zeichen). Es kann zu Makulaödemen, Netzhautablösungen, Glaukomen und Visusverlust kommen.
ZNS: Hämangioblastome (in circa 40% erstes klinisches Zeichen). Häufig im Kleinhirn, aber auch in Hirnstamm und Rückenmark. Es kann zu einem erhöhten Hirndruck mit Kopfschmerzen, Erbrechen, und Ataxie kommen.
Viszeral: Häufig multiple Nierenzysten, aber auch Hypernephrome und Phäochromozytome. In der Leber können sich ebenfalls Zysten oder Kavernome entwickeln. Auch im Pankreas zeigt sich eine Neigung zur Zystenbildung. Hier können Insel-Tumore entstehen.
Die Diagnose wird in der Regel klinisch gestellt.
Typische Tumore, die auf ein VHL schließen lassen, sind (multiple) retinale, ZNS-Hämangiome oder Nierenzellkarzinome. Zu beachten ist, dass durch 10-30% der Neumutationsrate nicht immer eine positive Familienanamnese zu beobachten ist.
Bestätigt eine genetische Untersuchung eine Anlageträgerschaft, kann durch ein Vorsorgeprogramm die Erkrankung kontrolliert werden (siehe Prophylaxe). Vorausgehen sollte eine genetische Beratung.
Die Krankheit hat eine multifokale Manifestation.
Komplikationen bestehen in möglichen Effekten von Tumoren.
Bei genetischen Anlageträgern besteht die Indikation zu Vorsorgeuntersuchungen.
Allgemeine klinische Untersuchung: Ab 5. Lebensjahr/ 1x jährlich. Zum Ausschluss von Hypertonie und tastbaren Raumforderungen.
Augenärztliche Untersuchung: Ab 5. Lebensjahr/ 1x jährlich. Zum Ausschluss von retinalen Hämangioblastomen.
Im 24h-Urin Katecholamine und Metanephrine: Ab 5. Lebensjahr/ 1x jährlich. Zum Ausschluss von Phäochromozytom.
HNO-Ärztliche Untersuchung: Ab 10. Lebensjahr/ 1x jährlich. Zum Ausschluss von Hörminderung durch ELST (Saccus endolymphaticus Tumor).
MRT-Abdomen: Ab 10. Lebensjahr/ alle 3 Jahre. Zum Ausschluss von Phäochromozytom und Nierenzellkarzinom.
MRT-Kopf: Ab 10. Lebensjahr/ alle 3 Jahre. Zum Ausschluss von cerebellären Hämangioblastomen.
MRT-Wirbelsäule: Ab 10. Lebensjahr/ alle 3 Jahre. Zum Ausschluss von Wirbelsäulen-Hämangioblastomen.
Insbesondere von Nierenkarzinomen und ZNS-Tumoren bestimmt. Lebenserwartung von circa 50 Jahren.
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Die Therapie richtet sich nach der Symptomatik und klinischen Befund. Eine kausale Therapie ist bis heute noch nicht bekannt.
Die Therapie erfolgt interdisziplinär. Neurologische, ophthalmologische und chirurgische Therapieansätze können in der Behandlung des VHL-Syndroms notwendig werden.
Neue Therapeutika werden zurzeit in klinischen Studien evaluiert. Insbesondere targeted therapy-Ansätze mit monoklonalen Antikörper und Tyrosinkinase-Inhibitoren könnten über den VEGF-Signalweg eine Vaskularisation der VHL-Neoplasien kontrollieren.